Die open access verfügbare Online-Version:
wird von der Abteilung Literatur- und Textwissenschaft am Austrian Centre for Digital Humanities and
Cultural Heritage (ACDH-CH) betreut. Sie bietet Zugang zu der von Siegfried Jacobsohn gegründeten
und von 1905 bis 1918 herausgegebenen Zeitschrift „Die Schaubühne“, ihren 14 Jahrgängen, 643 Heften
und 585 Nummern mit über 17.000 Seiten. 1918 wurde die Zeitschrift in „Die Weltbühne“ umbenannt und
erschien bis 1933.
Die open access-Edition der Zeitschrift „Die Schaubühne“ umfasst die Faksimiles des vollständigen
Nachdrucks der Jahrgänge 1905–1918 des Athenäums Verlags (Königstein /Ts. 1979-1980), eine
annotierte Lesefassung und Artikel- sowie Autorenregister, basierend auf den Informationen der
Register der Zeitschrift „Die Schaubühne“ selbst, des Registers von Joachim Bergmann sowie auf
Nachschlagewerken und standardisierten digitalen Quellen wie insbesondere dem Onlinekatalog der
Deutschen Nationalbibliothek.
Joachim Bergmann: Die Schaubühne Die Weltbühne 1905 – 1933 Bibliographie und Register mit
Annotationen, Teil 1: Bibliographie mit biographischen Annotationen Alphabetisches
Titelregister, München et al.: K. G. Saur 1991
Die Edition ist in Kürze volltextdurchsuchbar und bietet verschiedene Möglichkeiten der Anzeige
von Funktionen.
Die Funktion „Highlight ein/aus“ ermöglicht in der Lesefassung die Anzeige der
Druckfehlerannotation, die Funktion „Fraktur ein/aus“ ermöglicht die Anzeige der Texte der
Lesefassung in Frakturtype.
Die Lesefassung zeigt Druckfehler und durch Druckverderb entstandene unleserliche Textstellen in
mouse-over-Funktion an.
Als „Korrektur“ werden Emendationen angezeigt, die eindeutige Druckfehler berichtigen
(„Korrektur: [korr. Buchstabe[n]/Wort/Textstelle/Satzzeichen]“);
„Hinzufügung“ ergänzt eindeutig als ausgelassen zu erkennende Satzzeichen oder einzelne
Buchstaben, „Textverlust“ (selten) kennzeichnet nicht lesbare Textstellen oder durch Fehldruck
unvollständige Sätze/Satzteile.
Siegfried Jacobsohns „Schaubühne“ stellt in mehrfacher Hinsicht ein Phänomen dar. Als
Theaterzeitschrift gegründet, die sich trotz verhältnismäßig kleiner Auflage schnell als relevante
Stimme etablierte, durchlief sie mehrere Wandlungen. Die Eingangsphase umfasst dabei nur wenige
Monate und ist vor allem von der Dichte der theaterkritischen Beiträge geprägt. Diese bleibt als
Kernbereich bestehen, aber schon ab 1906 ergänzt sie Jacobsohn zunehmend um Abdrucke und
Teilabdrucke dramatischer Werke und Beiträge aller literarischen Gattungen und erweitert das
Repertoire systematisch um informierende Rubriken wie Uraufführungsdaten oder Rechtsfragen. Als
kämpferisches Journal steht die „Schaubühne“ in Opposition zum Naturalismus; von Anfang ist sie aber
zugleich ein Forum, das auf die Interessen des Lesepublikums eingeht – und auf diese einzuwirken
versucht.
Der Stellenwert des Theaters als Institution, die individuelle Bildung vermittelt und so die
Basis für die Diskussion gesellschaftlicher Prozesse schafft, ist historisch kaum zu
überschätzen. Allem voran ist an seine Funktion als Ort des konkreten Aufeinandertreffens der
Klassen und sozialen Schichten zu erinnern, Öffentlichkeit entsteht im Theater zuallererst durch
den geteilten Zuschauerraum.
Programmatisch steht die „Schaubühne“ in diesem Rahmen. Ihr Titel nimmt Bezug auf Friedrich
Schillers berühmte Rede zum Theater als „moralische Anstalt“, deren Frage lautete: „Was kann
eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“ (1784). Nach Schiller ist es die Ausbildung
von Erkenntnisfähigkeit und Urteilsvermögen: Karl Moors „unglückliche Räubergeschichte“ auf der
Bühne zu sehen mag „die Landstrassen nicht viel sicherer machen“ und die „Summe der Laster“
nicht mindern, aber „hat sie uns nicht mit denselben bekannt gemacht?“ Hineinversetzung bedeute,
die Selbstmörderin zu verstehen, die aufgrund der Umstände keinen Ausweg sieht: „Menschlichkeit
und Duldung fangen an, der herrschende Geist unsrer Zeit zu werden […] Wie viel Anteil an diesem
göttlichen Werk gehört unsern Bühnen? Sind sie es nicht, die den Menschen mit dem Menschen
bekannt machten, und das geheime Räderwerk aufdeckten, nach welchem er handelt?“ Und: „Hier nur
hören die Großen der Welt, was sie nie oder selten hören – Wahrheit […].“
1
1 Friedrich Schiller, Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?
Eine Vorlesung, gehalten zu Mannheim in der öffentlichen Sizung der kurpfälzischen deutschen
Gesellschaft am 26sten des Junius 1784 von F. Schiller, Mitglied dieser Gesellschaft, und
herzogl. weimarschen Rat. In: Thalia, Bd. 1, Heft 1, S. 1-27, hier S. 17-20.
Angesichts der Theatereuphorie, die viele „stehende“ Bühnen (feste Häuser im Unterschied zu
Wandertruppen) ab dem 18. Jahrhundert entstehen lässt, ist Jacobsohns emphatisch-mahnende
Bezugnahme auf den ersten Blick widersprüchlich. Die Einschreibung Schillers in seine
Journalgründung folgt jedoch vor allem einer Maxime der Erneuerung und gleicht einem Ordnungsruf
zu einem Zeitpunkt, an dem auch Kehrseiten der Bühnenbegeisterung deutlich geworden waren. Immer
größere Theaterbauten mussten hohe Kosten einspielen, der Unterhaltungs-Hype veränderte die
Spielpläne und schuf teils horrende Arbeitsbedingungen für alle Akteure der Bühne. Vor diesem
Hintergrund sieht Jacobsohn die Ideen der Weimarer Klassik in höchstem Maß gefährdet; gegen den
Geist der Kommerzialisierung schlägt er daher eine Neu-Definition und kritisch würdigende
Revision dessen vor, was das Theater als Blüte der Aufklärung zu leisten imstande war. Nicht um
dogmatische Pflege eines klassischen Repertoires geht es dabei, sondern um die Frage, wie
literarischer Anspruch und Qualität angesichts der Phänomene der Massengesellschaft und der
demokratischen Veränderungsprozesse erhalten werden können.
Mit ihrer pluralen Sichtweise sollte die „Schaubühne“ genau dazu entscheidend beitragen. Über
tausend Beiträger und Beiträgerinnen bewegt Jacobsohn im Lauf der Jahre zur Mitarbeit. Von
Anfang an wird auch über den deutschsprachigen Raum hinausgesehen, die Ausrichtung auf das
Kunstgeschehen ist kosmopolitisch, gezielt wird zudem auf die Verknüpfung der Kulturräume
aufmerksam gemacht. Leicht ist aus heutiger Sicht zu konstatieren, wie wichtig der Austausch
gerade der Theaterzentren für die europäische Moderne war. Jacobsohn zeigte aber diese
Vernetzung durch das unermüdliche Zusammentragen von Daten, auch, indem er auf sich ergänzende
Informationsformate setzte, und bewies damit höchste Sensibilität für den Wert der Dokumentation
der eigenen Epoche. Gezielt entwickelte er ein Journal mit der Dreifachfunktion des Edierens,
des Reflektierens und der detaillierten Fachrubriken.
Die Schlüsselposition der „Schaubühne“ besteht mithin in ihrer Qualität als weitsichtige
Präsentatorin von Literatur und als Sensor für die Vielfalt der Epoche. Pate stand Hugo von
Hofmannsthal; zu den ebenso kanonisch gewordenen Autorinnen und Autoren zählen Lou
Andreas-Salomé und Else Lasker-Schüler, Robert Walser und Erich Mühsam, Hermann Bahr, Alfred
Polgar, Mechtilde Lichnowsky, Annette Kolb, Kurt Tucholsky, Christian Morgenstern, Lion
Feuchtwanger, Frank Wedekind, El Hor/El Ha und Klabund; Theodor Herzl war ebenso Beiträger wie
Kurt Hiller. Als „Anthologie der Moderne“ bezeichnete Rolf Michaelis die Zeitschrift. Prominente
Kritiker der „Schaubühne“ waren überdies Julius Bab, Willi Handl, Herbert Ihering, Hermann
Sinsheimer, Arthur Sakheim und Ferdinand Hardekopf. Das Spektrum umfasste alle Künste; Musik,
Malerei und das neue Medium Kino wurden ebenso besprochen wie der Tanz, philosophische,
sozialgeschichtliche, sprachkritische, gesetzliche und Erziehungs-Fragen erörtert,
Geschlechter-Debatten geführt. Exemplarisch zeigt die „Schaubühne“, dass Journale Dokumente
gemeinsamen Wirkens und kreativer Diskursnetze sind. Zu entdecken oder neu zu entdecken sind
Alfred Lemm, Lisa Honroth-Loewe, Heinrich Eduard Jacob, Hans Natonek, Oskar Panizza, Käte
Tischendorf, Efraim Frisch, Friedrich Alfred und Cläre Schmid-Noerr (i.e. Cläre Schmid-Romberg),
Rudolf Leonhard, Ilse von Stach, Robert Breuer, Marie Holzer, Berta Lask, Alfons Fedor Cohn,
Pordes-Milo; und Klabund.
Dynamik und Qualitätsanspruch machten die „Schaubühne“ zum Labor, das Entwicklungen aufzeigte
und neuen Formen Raum gab. Diese entstanden nicht zuletzt in der Zeitschrift selbst; besonders
hinzuweisen ist daher auf die wenig beachtete Reihe satirischer Originalbeiträge im
„Kasperletheater“, die, oft unter Pseudonym, den Kulturbetrieb avant la lettre aufs Korn nimmt,
sowie auf die Bandbreite an Mischformen von Texten, die zwischen Bericht, Reportage und
Erzählung changieren, wie die Reihe der „Feldpostbriefe“, die trotz steter Zensurdrohung die
Realität des Ersten Weltkriegs dokumentieren und eines der vielen Scharniere zwischen der
„Schaubühne“-Zeit und jener der „Weltbühne“ (1918–1933) darstellen.
„Die Schaubühne“ – Umfang: 643 Hefte; erste Nummer erschienen am 7. September 1905.
Format: Wochenschrift in Einzel- und Doppelnummern
Letzte Nummer erschienen am 28. März 1918; Titel ab April 1918: „Die Weltbühne. Wochenschrift
für Politik, Kunst, Wirtschaft“
Digitale Edition mit Lesefassung, Artikelverzeichnis und Register der Autorinnen und Autoren
sowie Druckfehlerauszeichung
„Die Schaubühne. Herausgeber: Siegfried Jacobsohn, Berlin 1905–1918“. Digitale Edition. Hrsg. v.
Imelda Rohrbacher. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) 2024, SB [Jahrgang,
Halbband], S. [Seitenzahl]. https://schaubuehne.oeaw.ac.at (abgerufen am [DATUM]).